Samstag, 2. Mai 2009

Liebesgeschichten, 4. Kapitel

An so einem wolkenverhangenem Tag bleibt Simon am liebsten zu Hause und erledigt Dinge, die er schon seit langem vor sich herschiebt. Heute jedoch hatte er Bereitschaft in der Feuerwache und durfte es sich deshalb nicht erlauben, seine gemütlich-schlabberigen Wechselklamotten anzuziehen, immer in dem guten Gewissen, dass es sich spätestens beim nächsten Einsatz lohnen würde. Für gewöhnlich vertrieb er sich die Zeit in der Feuerwache mit Lesen oder Tischtennis, doch ließ er heute ausnahmsweise beides ruhen und starrte gleichgültig und gedankenverloren aus dem Fenster.
Es war grau. Alles. So völlig im Gegensatz zu dem, was er erlebte. Die Blüten, die in ihm nur so vor Freude und Liebe sprießten, schienen durch das Fenster matt und abgefallen, ja gar abgefault. Welch paradoxe Welt, dachte er. Sie war die Heimat herzloser Wesen auf der ewigen Suche nach Glück. Doch bräuchten sie nur bei sich selbst zu suchen, dann würden sie sich auch nicht in den Weiten der Welt verlieren, resümmierte er.
Er selbst konnte in seiner momentanen Situation überhaupt nicht verstehen, wie Menschen nur in der Lage sein konnten, sich wegen etwas so wunderbarem wie der Liebe verletzen zu können.
Er hatte ja schließlich sie.
"Angefahrener Passant, anscheinend schwer verletzt, in der Adenauerstraße, höhe Gewerbegebiet." dröhnte es aus den Lautsprechern.
Da war sie also, die Gelegenheit, mit der er die versäumten Schlabberklamotten wett machen konnte. Sicherlich wieder so ein verzweifelter Liebhaber, der seine Freundin verlor und zu sehr verirrt hat, scherzte er dabei und schmunzelte. Dass er damit nicht Unrecht haben sollte, wusste er nicht.

copyright by Andreas Gaida

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