Sonntag, 3. Mai 2009

Liebesgeschichten, 5. Kapitel

Hallo Petra,

Eins vorweg: Ich möchte nicht, dass du diesen Brief missverstehst, wovon ich allerdings ausgehe. Er wird dir wahrscheinlich wehtun und bitte glaube mir: er tut mir mindestens genauso weh. Die Situation die ich schildern werde, wird garantiert zu unserer Trennung führen, aber das sollte dich ja nicht überraschen. Ich glaube eher, dass du schon fest damit gerechnet hast, dass du diese Worte liest. Bei allem aber, wasimmer du auch tun magst, bitte, nimm Rücksicht auf dich und mich und brich nicht gleich in Jubelschreie oder Hysterie aus.

Ich will nicht versuchen dir es auf irgendeine schonende Art und Weise beibringen, denn die Wahrheit ist, wie sanft sie auch sein mag, nie schonend und barmherzig. Sie ist eiskalt und hart und vermag selbst den Selbstbewusstesten zu brechen. Deshalb:

Ich habe dich betrogen. Mit Ihr.

Haha. Ich hab es gesagt! Und du kannst mir gar nichts mehr! ICH habe gewonnen! Für Immer!
Denk nicht, dass ich dir nachtrauern werden, denn ich weiß, dass du es auch nicht tun wirst.

Ich möchte nicht sagen, dass du ein Monster bist. Aber ich werde dich auch nicht vermissen. Und ich denke , dass solltest du auch nicht. Denn ich habe dich betrogen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael
copyright by Andreas Gaida


Samstag, 2. Mai 2009

Liebesgeschichten, 4. Kapitel

An so einem wolkenverhangenem Tag bleibt Simon am liebsten zu Hause und erledigt Dinge, die er schon seit langem vor sich herschiebt. Heute jedoch hatte er Bereitschaft in der Feuerwache und durfte es sich deshalb nicht erlauben, seine gemütlich-schlabberigen Wechselklamotten anzuziehen, immer in dem guten Gewissen, dass es sich spätestens beim nächsten Einsatz lohnen würde. Für gewöhnlich vertrieb er sich die Zeit in der Feuerwache mit Lesen oder Tischtennis, doch ließ er heute ausnahmsweise beides ruhen und starrte gleichgültig und gedankenverloren aus dem Fenster.
Es war grau. Alles. So völlig im Gegensatz zu dem, was er erlebte. Die Blüten, die in ihm nur so vor Freude und Liebe sprießten, schienen durch das Fenster matt und abgefallen, ja gar abgefault. Welch paradoxe Welt, dachte er. Sie war die Heimat herzloser Wesen auf der ewigen Suche nach Glück. Doch bräuchten sie nur bei sich selbst zu suchen, dann würden sie sich auch nicht in den Weiten der Welt verlieren, resümmierte er.
Er selbst konnte in seiner momentanen Situation überhaupt nicht verstehen, wie Menschen nur in der Lage sein konnten, sich wegen etwas so wunderbarem wie der Liebe verletzen zu können.
Er hatte ja schließlich sie.
"Angefahrener Passant, anscheinend schwer verletzt, in der Adenauerstraße, höhe Gewerbegebiet." dröhnte es aus den Lautsprechern.
Da war sie also, die Gelegenheit, mit der er die versäumten Schlabberklamotten wett machen konnte. Sicherlich wieder so ein verzweifelter Liebhaber, der seine Freundin verlor und zu sehr verirrt hat, scherzte er dabei und schmunzelte. Dass er damit nicht Unrecht haben sollte, wusste er nicht.

copyright by Andreas Gaida

Mittwoch, 4. März 2009

Liebesgeschichten, 3. Kapitel

Mit einer Fluppe zwischen den Lippen und einem aus unerklärlichen Gründen schlechtes Gewissen ging er bedächtig, doch nicht langsam, die Stufen des Treppenhauses hinunter. Jeder Schritt hinterließ ein dumpfes Geräusch, genauso wie das Herz, das in ihm allmählich seinen normalen Gang wiederaufnahm. Er hatte nicht erwartet, dass es so heftig sein würde, so schmerzvoll. Er verstand es, er wusste weshalb sie so gehandelt hat und er akzeptierte diese Entscheidung. An ihrer Stelle hätte er nicht anders gehandelt. So oder so, irgendwann wäre es passiert. Doch wünschte er sich, das irgendwann ein Synonym für ewig wäre. War es aber nicht.
Kurz bevor er die Tür erreichte durchzog ihn ein Schauer. Das schlechte Gewissen, dachte er. Er war sich keiner Schuld bewusst und doch im klaren darüber, dass dies im völligen Gegenteil zu dem stand, was er tatsächlich getan hatte. Verdammt nochmal, er hat sie geliebt. Verdammt, er hätte an diesem Abend den Stift einfach liegenlassen sollen, an seinem Platz, in der Schublade des Schreibtischs seiner Schwester. Verdammt, dieser Brief.
Mit energischer Wucht riss er die Türe auf. Irgendwie erwartete er, dass diese an der Mauer des Treppenhauses zerschmettert werden würde. Er erwartete, dass die Glasquadrate, die mehr schlecht als recht in die Tür hineingearbeitet waren, in Millionen Splitter zerbersten würden die ihren Weg durch die Luft in seinen Körper fanden. Er erwartete, dass dieser eintretende Schmerz ablenken würde, und seis auch nur für eine Sekunde, er wäre dankbar dafür gewesen. Doch es kam anders.
Die Tür erreichte nicht einmal die Mauer.
So schwach?, dachte er. So schwach sei er geworden? So zerüttet durch seine Gedanken, das sein physisches Äußeres das Innere seiner Seele darstellte? Er blieb mit dem Rücken vor der Tür stehen und sah sich um. Er war schon immer davon überzeugt gewesen, dass er stark genug wäre, um es alleine durchzustehen. Er verstand nicht, wie er sich nun selbst hatte in Stich lassen können. Er verstand es nicht und glaubte auch nicht daran. Erst, als die Tür hinter ihm mit einem metallischen Kratzen zuschwang, sah er klarer. Die Welt hat mit ihm in just diesem Moment abgerechnet. Er wurde von ihr nicht länger gebraucht. Er war überflüssig.
Mit Bedacht rauchte er seine Zigarette zu Ende und versuchte, sich jeder Bewegung seines Körpers bewusst zu werden: das Halten der Zigarette zwischen den Fingern, das Stehen vor der Tür, die Anspannung, die durch seine Beine ging, die Bewegungen des Kopfes. Er spürte, wie die Jacke immer enger wurde und ihm die Luft aus den Lungen drückte, im Angesicht seines nächsten Schrittes. Denn dieser würde ihn nicht, wie zuvor geplant, entlang des Bürgersteiges zum Finanzamt bringen. Dieser würde sein Leben verändern, da war er sich sicher.
Und wie er die Zigarette zu Boden warf, sie austrat und den VW Transporter erblickte, der mit eindeutig überhöhter Geschwindigkeit versuchte die gerade auf gelb wechselnde Ampel zu passieren, schritt er Vorwärts, den Bürgersteig hinab auf die hoch frequentierte Kreuzung.

Samstag, 21. Februar 2009

Liebesgeschichten, 2. Kapitel

Sie saß in dem gemütlich-schäbigen Straßencafé an der Theke, welches sich an der Straßenecke quer gegenüber ihrer Wohnung befand. Es hatte einen gewissen nostalgischen Flair und es erinnerte sie sehr stark an alte Filme, vor allem an die aus Frankreich, wo noch Cigarillos in Massen geraucht und leichte Mädchen auf der Bühne den Cancan getanzt haben. Beides gab es hier zwar nicht, doch fühlte sie sich hier heimisch. Vielleicht sogar heimischer als zu Hause. Die abgenutzten Ledersessel luden an den grazil gestalteten Metalltischen zu einem gemütlichen Plausch zu zweit oder gar zu dritt ein. Doch hatte sie keinen, mit dem sie etwas zu beplauschen hätte.
Sie wollte eigentlich aufhören mit dem Rauchen, aber irgendwie sah sie sich gezwungen in Situationen wie diesen eine ganze Packung Gauloises Blau den Rachen anzutun, obwohl sie nicht einmal wusste, wie man diesen verdammten Namen aussprach. Es gab ihr weder Halt, Trost noch sonstirgendwas und sie war sich sogar sehr darüber bewusst, dass, wenn sie so weitermachen würde, spätestens in 10 Jahren mit einer Brust weniger und haarlos das Zeitliche segnen würde.
Es war eben alles zum Rauchen. Nicht zum Kotzen. Zum Rauchen. Vielleicht erhoffte sie sich ja, dass sich alles, wie der blaue Dunst, in Wohlgefallen auflösen würde. Puff. Einfach weg. Doch so einfach war es nicht. Und weg schon gar nicht. Es ist eben vorbei. Vielleicht nicht für ihn, sie aber hat ihren Entschluss gefasst. Und sie würde ihn auch nicht mehr anrufen oder sonst irgendwie den Kontakt mit ihm aufnehmen um ihn klarzumachen, dass es so ist. Er hat es sich redlich verdient nicht kontaktiert zu werden.
Sie bestellte sich noch einen weiteren Espresso, schlang ihn hinunter und genoss das Gefühl, wie die heiße Flüssigkeit ihr die Speiseröhre runterlief und ihr innerstes aufs Wohlste wärmte. Sie ließ ihren Blick durch das Café streifen und bemerkte, dass sie obgleich der späten Uhrzeit nicht alleine war. Noch etwa 15 weitere Personen begnügten sich an ihrem warmen Getränk und ihrer Konversationen. Alle schienen glücklich zu sein in ihrem Leben, nur sie saß da, deplaziert wie ein Erwachsener im Kinderparadies von IKEA, und schob das Häufchen Elend, welches sie darstellte, von Zeit zu Zeit auf dem Stuhl hin und her.
Sie träumte vom Meer. Azurblaues Meer, wie sie es immer auf Fotos von NationalGeographic gesehen hat. Sie träumte davon, mit dem Rauch, den sie auspustete, wie auf Wolken in die Karibik zu fliegen. Einfach so. Und einfach so gab es diesen Knall. Er war laut und zog sofort die Aufmerksamkeit aller Cafébesucher auf sich. Auch die ihre. Gemurmel wurde laut, schwoll an zu einem Getöse. Die Fensterscheiben des Cafés waren nun belagert mit erregten und nervösen Körpern, die hie und da ein "Oh mein Gott" hören ließen. Nein, dachte sie. Das konnte einfach nicht sein.

Freitag, 20. Februar 2009

Liebesgeschichten, 1. Kapitel

Er saß mal wieder ganz ermüdet und matt vor dem Fernseher in seiner kleinen Wohnung und lauschte dem Rauschen, das aus dem Gerät drang. Schneeflocken stoben über den Bildschirm un er konnte sich nicht recht ausmalen, warum zur Hölle er das eigentlich tat. Das, mit dem rumsitzen. Dabei war er recht ambitioniert, verfügte über Talente in Kunst, Musik und Literatur, die er regelmäßig zum Besten gab und war, trotz seiner eher sehr durchschnittlicheren Figur, sportlich.
Es passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Das, mit dem rumsitzen. Und auch alles andere. Bisweilen gab er sich damit zufrieden, seinem sonst so beanspruchten Gehirn eine Auszeit zu gönnen. Doch war diese außerordentlich unangenehm, nicht zuletzt deswegen, weil er einfach nicht der Typ für Hirnpausen und ungelöste Probleme war, auch, wenn er für immer von ihnen umgeben sein würde. Dies sah er auch ein. Trotzdem ließ es ihm keine Ruhe.
Schlagartig riss es ihn von seiner Couch, auf der er gelegentlich zu schlafen pflegte. Die Kissen und Decken fielen um und verrutschten unter dem Impuls des Besitzers. So stand er nun da, vollgeladen mit Spannung, die zu entweichen suchte und innerlich eingesperrt, wie die Schneeflocken auf dem Bildschirm, die von den Rändern abzuprallen schienen, nur um noch größere Verwirrung zu stiften. Sein Körper schien zu bersten, jede Pore einem enormen Druck standhalten zu müssen.
Doch stand er da, als ob nichts wäre. Als ob ihm alles völlig gleich wäre. Gleich, wie der Mensch, der auf der Autobahn ums Leben kam und gleich wie die Sonne, die ihm jeden Tag zu neuer Kraft verhalf. Gleich, wie das Stück Fleisch, das er in vermutlich einer Stunde essen würde und gleich wie das Kind in Afrika, das entweder verhungern oder von sonst irgendeinem Scheiss sterben würde.
Doch wusste er, dass er nicht dastand, weil ihm alles gleich war. Er stand da, weil er wusste, dass er vor Hilflosigkeit gelähmt war. Keinen gab es, der ihn aus dieser Situation befreien würde, keinen, der nur ansatzweise fähig war ihm zu helfen. In diesem Moment war es wie ein Ringen auf Leben und Tod. Wie wenn man die Wasseroberfläche eines Sees mit der Hand berühren kann, der Kehlkopf indes aber schon verkrampft und eine Panik auslöst, die zu dem tödlichen Einatmen des Wassers führt.
An dieser Schwelle schien er zu stehen. Da, in seiner kleinen Wohnung. Vor dem rauschenden Fernseher.
Schließlich besiegte ihn die Panik. Er nahm den tödlichen Atemzug Wasser. Alle Energie, die ihn bis eben zu sprengen verstand, entlud sich in dem verzweifelten Versuch Luft zu holen. Er nahm einen sehr tiefen Atemzug und spürte wie ihm zugleich das Wasser, das in die Lungen stach, sie verbrannte und ihm die erhoffte Luft wegblieb.
Er sackte zusammen wie ein schlecht gebauter Kartenturm. Auf seine Couch. Vor dem rauschenden Fernseher. In seiner kleinen Wohnung. Die ganze Welt hat ihn in diesem Moment im Stich gelassen. Er ließ das Wasser in seinen Lungen anderweitig ausfließen.
Er weinte.
copyright by Andreas Gaida

Mensa Massaker

Ich hasse sie
ganz ohne Reu'.
Sie ähneln Rindern
Diese Kinder.

Sie schreien laut,
hab'n keine Scheu.
Er ist so dreist
des Kinders Geist.

Schau'n mich an
und reden dumm.
Sie werden frech -
zu ihrem Pech.

Stock und Messer,
Mein Zorn dazu.
Mit einem Kreisch
verbeult ihr Fleisch.

Die Säge dann.
mit ihr ich säg,
nicht zu knapp,
die Köpfe ab.

Beruhigt nun
das Essen dampft.
Bin wohlgemut
hier in dem Blut.

copyrigth by Andreas Gaida

Samstag, 24. Januar 2009

allein, hoffnungslos und Romantiker

Ich vermisse es. Nicht Dich, aber es. Das Gefühl. Es fliegt umher, streift mich hier, mal da, mit seiner sanften Hand, zieht mich an. Und dann laufe ich gegen eine Wand und weiß, dass es hier nicht weitergeht.
Ich bin nicht zu faul zum Drüberklettern, nein, ich habe nur Angst davor, dass hinter dieser Mauer ein Versagen lauert. Ein Versagen, das mich fertigmachen könnte. Aber sowas von.
Ich gehe die Mauer entlang um festzustellen, dass ein paar Meter weiter zwar keine Mauer, aber ein undurchdringlicher Nebel mir die Sicht versperrt.
Ich bin nicht zu vorsichtig zum Durchschreiten, nein, ich habe nur Angst davor, dass in diesem Nebel ein Sumpf lauert. Ein Sumpf, der mich verschlingen könnte. Von den Füßen bis zum Kopf.
Ich nehme den Umweg um den Nebel, um festzustellen, dass ein paar Meter weiter zwar kein Nebel, aber Flammen mir den Weg versperren. Ich bin nicht zu ängstlich zum Hineinspringen, nein, aber ich weiß, das dahinter alles verwüstet ist. Bis auf die Grundmauern abgebrannt.
Ich stehe vor der Asche und weiß nicht weiter. Mein Kompass zeigt keine Richtung an. Tränen fließen mir über die Wange. Langsam. Warm. Im schmerzvollsten aller Momente berührt mich nichts mehr. Kein klarer Gedanke, kein Gefühl an sich, nur Schmerz.

Eine Hand berührt meine Schulter und ich weiß, es ist alles gut. Ich schaue mich nicht um, wer mich berührt, weil meine Tränen das Gesicht verbrannten. Ich sage leise "Danke", hole tief Luft und renne auf die Flammen zu. Sie liebkosen mich, sie züngeln um mir herum und ihr sanftes Knistern verwöhnt meine Ohren.
Ich sehne mich danach. Ich springe, weil ich finden will. Im Flug selbst stürzt alles, alles oder nichts. Ich sehe etwas hinter den Flammen, die mich bis an ihr Ende getragen haben und es ist keine Asche. Ich habe es gefunden. Das Gefühl. Woanders, ohne Dich.

Und die Mauer hinter den Flammen zerschmettert mir den Kopf, meine Rippen durchbohren mein Herz und ich liege tot am Boden.
Das Blut. Rot.




Und dann fandest Du mich.
copyright by Andreas Gaida