Donnerstag, 25. Dezember 2008

Übergangszeit

Mit einem Glas Krombacher in der Hand stehe ich in der Küche und summe "Basket Case" von Green Day nach. Gleichzeitig passe ich auf die Rinderrouladen auf, die in der Pfanne in ihrem eigenen Sud (gewürzt natürlich) dahinköcheln. Und während mir ständig die Phrase "sometimes my mind plays tricks on me" durch den Kopf geht, denke ich wirklich: Spielt mir mein Verstand was vor?

Nein, nach genaueren Überlegungen definitiv nicht. Wir haben Ferien, ich bin ziemlich entspannt und die Weihnachtstage sind auch ganz cool gewesen. Ich habe wieder Geld, ich werde mit meinen Freunden in naher Zukunft was tolles unternehmen (sofern sie nicht alle in Berlin sind) und auf Silvester freue ich mich sowieso. Nö, eigentlich gibt es keinen Grund sich zu beklagen. Klar, die Liebe, aber die macht doch ständig Probleme und auch wenn's weihnachtet lege ich sie erstmal auf Eis. Punkt. Alles in allem bin ich ganz zufrieden.

Er hingegen muss ganz schön was schieben. Seine "Ex" terrorisiert ihn immer noch à la "Ich liebe dich, Arschloch!", die Klausuren vor den Ferien hat er gelinde gesagt verkackt und seine Mutter hat entschieden, dass sie über Weihnachten mal den "Ich habe Stress, haltet's Maul, ihr Unbrauchbaren!"-Dampfer fährt, mit dem Tick Gleichgültigkeit und Verachtung in ihrer Stimme, wenn sie seinen Namen ruft.
Ich weiß, dass er schon seit langem die Schnauze voll hat, ihr endlich mal die Meinung geigen möchte. Sie unterschätzt ihn völlig. Beziehungsweise akzeptiert ihn nicht. Naja, wenn sie zur cholerischen Ignoranz neigt, würde nicht einmal die Supernanny helfen können. Ich habe sie selbst mal so erlebt, als ich bei ihm war. Schrecklich. Da möchte man echt nicht in seiner Haut stecken. Wie gut, dass meine Mutter nicht so ist. Aber ist das Leben nicht halt so? "Cause it's a bittersweet symphony that's life". Yup.

Während ich bei Rouladengeruch so meine Fische angucke, fällt mir ein, dass ich den Text für mein erstes Lied nicht packe. Chords stehen schon, Melodie auch, aber hachja, der Text. Sorgenkind. Es soll so ein richtiger Hammer werden. MySpace und allem. Ich werde von Parlophone entdeckt und ZACK!, stehe ich mit The Verve und Babyshambles im lineup.
Das würde ich ihm mal gönnen. Und ich wäre in seiner Band die Rhythmusgitarre. Er kann recht gut spielen, auch wenn erst erst seit kurzem Unterricht hat. Autodidaktisch hat er es sich beigebracht. Ich finde seine abgewetzte Gitarre schön; die versprüht Nostalgie aus allen Poren. Doch wird er nie richtig Erfolg haben. Dafür träumt er zuviel und arbeitet zu wenig. So ein typischer Mittelstands-Teenager, der alle Türen offen stehen, der zu faul ist, eine davon zu betreten. Zugegeben, ich zähle mich auch dazu.
Aber immerhin haben wir Pläne für die Zukunft, sogar ziemlich ähnliche. Kommunikationsdesign. In Maastricht.

Nein, ich glaube, wir träumen beide zuviel. Ich sollte besser auf die Rouladen aufpassen. Mein Krombacher ist auch schon warm und in meinem Kopf wiederholt sich die Phrase "cause it's a bittersweet symphony that's life". Dabei muss ich lächeln.
Ich frage mich, was er gerade macht. Wahrscheinlich auch auf Essen aufpassen, während er ein Bier trinkt und ihm eine Ohrase von The Verve durch den Kopf geht. Und träumen, so wie immer.

Und eigentlich sind wir gar nicht so unverschieden.

copyright by Andreas Gaida

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen